Umweltschutz Plastik? Nein danke!

Iris Lemanczyk

Seit dem 3. Mai sind in Deutschland alle natürlichen Reserven verbraucht, die innerhalb eines Jahres nachwachsen können. An Milena (10) und ihrer Familie liegt es nicht. Sie leben so umweltfreundlich wie möglich.

Im Schrank von Milena liegen nur wenige Klamotten. Eingekauft wird nicht im Discounter, sondern in Bioläden, Plastik findet sich in der Wohnung kaum. Auf ein Auto verzichtet Milenas Familie, denn die Drei wollen möglichst nachhaltig leben und wenig Energie verbrauchen. „Ich brauche nicht die neueste Markenkleidung“, sagt die zehnjährige Milena aus Stuttgart. Nicht nur ihr Zimmer ist klein, auch ihr Schrank ist sehr übersichtlich: drei Hosen, eine Jogginghose, fünf Oberteile und vier kurzärmelige T-Shirts, dazu noch Schlafanzüge, Unterwäsche und „fünf bis sieben Paar Socken“. Für festliche Anlässe noch ein Kleid – fertig. „Das reicht doch. Wir brauchen nicht immer mehr und mehr Sachen.“

Holz statt Plastik
Milena versucht zudem, möglichst viel Plastik zu vermeiden. Auch bei ihren Schulsachen achtet sie darauf, dass diese umweltfreundlich sind. „Meine Box für Vokabelkärtchen ist aus Holz, meine Freundin hat eine aus Plastik.“ Milenas Schulbücher sind in Papier eingebunden, nicht in einen Schutzumschlag aus Plastik. „Dafür bin ich sogar schon von meiner Lehrerin gelobt worden.“ Wenn eine ihrer Freundinnen ihr Pausenbrot aus Frischhaltefolie wickelt, kann sich Milena ein Stöhnen nicht verkneifen. „Plastik an sich ist nicht blöd. Aber in Mengen ist es blöd. So viel Plastik landet durch die Flüsse in den Meeren, viel davon kommt in die Mägen von Fischen und Vögeln, die sterben daran“, meint die Zehnjährige, die gerne Umweltschützerin werden möchte. Frühe wollte sie Schauspielerin werden. Milena packt ihre Pausenbrote übrigens in Bienenwachstücher.

Protestbrief an den Bürgermeister
Nicht alle finden Milenas Engagement für die Umwelt gut. „Eine Freundin hat mir gesagt, sie habe keinen Bock mehr auf mein Klimageschwätz“, erzählt Milena. Aber andere Freundinnen unterstützen sie. Gemeinsam haben sie einen Brief an Oberbürgermeister Fritz Kuhn geschrieben, dass es in Stuttgart mehr Radwege geben und mehr für den Umweltschutz und gegen den Klimawandel getan werden soll. In ihrem Gymnasium sind sie von Klassenzimmer zu Klassenzimmer gezogen und haben Unterschriften gesammelt. An die 300 Mitschüler und auch ein paar Lehrer haben unterschrieben. Der Oberbürgermeister hat noch nicht geantwortet. Vielleicht interessiert er sich nicht dafür, vielleicht liegt es aber auch daran, dass Milena vergessen hat, einen Absender auf ihren Brief zu schreiben.

Unverpackt einkaufen
In Milenas Familie wird viel über Umweltschutz und Klimawandel geredet, beim Abendessen oder wenn die Großeltern zu Besuch sind. Milena kennt es nicht anders – und sie interessiert sich dafür. Darum ist es für sie normal, in Bioläden einzukaufen oder in Läden, in denen es keine Verpackungen gibt. Sie und ihre Mutter nehmen Beutel und Boxen mit und schütten ihre Linsen oder Cornflakes dort direkt hinein, so dass gar kein Verpackungsmüll anfällt. Tetra Paks oder Plastikflaschen kaufen sie nie. Genauso wenig wie Obst und Gemüse, das in Plastik eingepackt ist. „Ich wünsche mir, dass Kinder ihre Eltern überreden, nicht im Supermarkt einfach billiges Zeug einzukaufen. Ich wünsche mir, dass die Kinder nicht mit dem Auto zur Schule gebracht werden, sondern die Bahn nehmen.“ Milena fährt mit dem Roller zur Schule. Allerdings hat sie es auch nicht weit. Wenn Milena zu Geburtstagsfeiern eingeladen wird, gibt‘s am Ende für die Gäste Tütchen mit kleinen Geschenken darin, wie Pustefix-Seifenblasen. „Die Verpackung ist reines Plastik.“ Milena nimmt die Geschenke dennoch an, sie möchte nicht unhöflich sein. „Aber an meinen Geburtstagen gibt es das nicht“, erklärt sie bestimmt.

Ohne Auto unterwegs
Milenas Familie hat kein Auto, sie fahren mit dem Bus, dem Fahrrad oder der Bahn. Aber wenn Schweres transportiert werden muss oder wenn Milena, ihre zweijährige Schwester Carlotta, die Eltern und Hund Mia verreisen, dann nehmen sie ein Auto, das Milenas Vater sonst bei der Arbeit nutzt. Einmal ist Milena sogar geflogen. Vor einigen Jahren, nach Spanien, wo ein Teil ihrer Verwandtschaft lebt. Das ist ihr heute unangenehm. „Fliegen finde ich nicht gut. Flüge sollten 1000-mal teurer sein“, meint Milena. Dann käme niemand mehr auf die Idee, zum Shoppen nach Mailand oder New York zu fliegen. Von ihren Großeltern hat Milena von Fridays for Future erfahren. Zusammen mit einer Freundin und deren großem Bruder ist sie an einem Freitag auf den Marktplatz zur Demonstration für das Klima gegangen statt in den Unterricht. Die vielen Schüler, die alle nicht zur Schule gingen, sondern sich für den Klimaschutz einsetzen, haben Milena sehr beeindruckt. Da ist es ihr egal, dass sie die drei Stunden Unterricht nachholen muss. „Ich möchte gerne wieder zu Fridays for Future, aber ich war krank und muss erst einiges an Unterrichtsstoff nachholen.“

Die Erde ist erschöpft
Der Welterschöpfungstag, auf Englisch „Earth Overshoot Day“, ist der Tag im Jahr, ab dem die natürlichen Ressourcen verbraucht sind, die innerhalb eines Jahres wieder nachwachsen können. Deutschland hat seit dem 3. Mai alles verbraucht, was uns die Erde für ein Jahr zu bieten hat. Berechnet wird der Verbrauch von Holz, Wasser, Tieren und Boden, aber auch der Ausstoß von Kohlendioxid. Dieses Gas entsteht etwa durch den Autoverkehr und richtet große Klimaschäden an. Die Organisation Global Footprint Network berechnet den ökologischen Fußabdruck von mehr als 150 Ländern. Jedes Jahr rückt der Welterschöpfungstag weiter nach vorne. Im Jahr 1971 waren die natürlichen Reserven der Erde am 21. Dezember verbraucht, 1993 am 21. Oktober und 2018 bereits am 1. August. Wenn die Erdbevölkerung so weiterlebt, brauchen wir im Jahr 2030 zwei Planeten, um den Bedarf an Nahrung und erneuerbaren Rohstoffen zu decken.