Schule Lernen auf Deutsch und Ukrainisch

Thea Bracht Bärbel Krauß Nadia Köhler

Alisa (11) hat Online-Unterricht, Gleb (8) geht in eine deutsche Schule. Beide sind aus der Ukraine nach Deutschland gekommen.

Die elfjährige Alisa schaltet in aller Frühe ihren Rechner ein, der Unterricht beginnt für sie morgens um sieben. „Die Zeitverschiebung“, sagt ihre Mutter Elena Menshykova. Sie ist Germanistin, hat also die deutsche Sprache studiert. „Odessa ist uns eine Stunde voraus.“ Etwa 30 Kinder sitzen in der Klasse ihrer Tochter. Alle sind digital zugeschaltet – und wahrscheinlich froh darüber, zumindest ein bisschen Alltag und Vertrautheit zu spüren. Auch wenn viele von ihnen jetzt irgendwo im Westen der Ukraine vor dem Bildschirm sitzen, in Polen oder in Deutschland.

Ukrainischer Online-Unterricht

Alisa ist nach einer langen Autofahrt am 1. März in Deutschland angekommen. 2000 Kilometer liegen zwischen den beiden Orten, zwischen dem alten Klassenzimmer und der Wohnung, in der ihre Familie untergekommen ist. Aber morgens, um sieben, da treffen sie sich alle wieder, die Sechstklässler und ihre Lehrer, fast so wie vor dem Krieg. Online- Unterricht ist nach mehr als zwei Jahren Corona- Pandemie ohnehin längst Routine. So wie Alisa machen es derzeit einige Kinder und Jugendliche, die in den vergangenen Wochen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind. Das Lernen mithilfe der früheren Lehrer an der alten Schule über Tausende Kilometer Entfernung ist zwar nicht der Normalfall bei den Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine, die ganz große Ausnahme ist es aber auch nicht.

In der deutschen Grundschule

Der achtjährige Gleb aus Ismail in der Nähe von Odessa ist am 1. März hier angekommen – zusammen mit einigen Familien, darunter auch Alisa und ihre Mutter. Er besucht die örtliche Grundschule. „Ich verstehe kein einziges Wort, aber es ist lustig. Die Lehrer sind nicht so streng wie in der Ukraine“, hat er seiner Mutter Viktoria Mitieva berichtet. Seine Klassenlehrerin gibt ihm spezielle Aufgaben, nur für ihn. So soll er rasch Deutsch lernen. In Mathematik ist er den anderen in seiner Klasse um einiges voraus, darauf ist der Achtjährige stolz.

Lesen können vor der ersten Klasse

Der Leistungsdruck in der Heimat sei viel größer als in Deutschland, berichten die Mütter. „Hier fangen die Abc-Schützen locker an“, hat Elena Menshykova beobachtet. In der Ukraine dagegen besuchten die Kinder schon vor ihrer Einschulung einen Vorbereitungskurs. Beim Schulstart können die meisten schon lesen. Ihre Tochter Alisa befürchtet, wichtigen Unterrichtsstoff zu verpassen. Auch deshalb bleibt sie lieber im alten Klassenverband. Um Deutsch zu lernen, besucht die Sechstklässlerin zudem den Kurs einer ukrainischen Germanistik- Studentin, die ebenfalls nach Deutschland geflüchtet ist. Niemand weiß, wie lange die Menschen in Deutschland bleiben werden. „Wenn wir am 1. September noch hier sind, dann melde ich meine Tochter Alisa an einer deutschen Schule an“, sagt Elena Menshykova. Die 37-Jährige hofft sehr, schon bald mit ihrer Familie in die Ukraine zurückkehren zu können.


Hier (klick) findest du einen Vergleich des deutschen und des ukrainischen Schulsystems.