Malaika Mihambo, Weitspringerin „Weitspringen ist ein bisschen wie fliegen“

Maresa Stölting

Malaika Mihambo ist derzeit die beste Weitspringerin Deutschlands. Bei den Olympischen Spielen 2016 verpasste sie noch knapp das Treppchen. Unseren Reportern Victor (13) und Helen (10) hat sie erzählt, was ihr vor dem Sprung durch den Kopf geht.

Victor: Bereitest du dich auf Tokio anders vor als zum Beispiel auf die Deutschen Meisterschaften?

Malaika Mihambo: Nein, eigentlich nicht. Das Training wird noch einmal verfeinert: Es ist alles so ausgelegt, dass ich in Tokio so schnell und so kräftig bin wie noch nie, damit ich so weit wie möglich springen kann. Aber sonst ist die Vorbereitung so wie bei jedem anderen Wettbewerb auch. Direkt vor dem Wettkampf geht es in den sogenannten Call-Room, da werden alle Athleten zusammengerufen. Dort bekommt man eine Startnummer. Dann geht es ins Stadion, man macht sich warm. Das ist wie bei jedem anderen Wettkampf auch.

Victor: Was geht dir kurz vor dem Sprung durch den Kopf?

Malaika Mihambo: Im besten Fall gar nichts. Ich versuche, den Kopf leer zu bekommen und mich ganz darauf zu konzentrieren, was ich jetzt mache. Aber ich achte natürlich auf solche Kleinigkeiten wie zum Beispiel den Wind. Gerade beim Weitsprung ist es wichtig, dass der Wind nicht zu stark ist. Wenn der ganz stark bläst, muss ich vielleicht meinen Anlauf anpassen. Und ich lade immer das Publikum ein zu klatschen. Das gibt richtig schöne Energie, damit kann ich gleich noch viel weiter springen.

Helen: Ich finde es cool, dass man bei dir sieht, wie du in der Luft läufst. Ich springe noch nicht so weit, dass ich dabei laufen kann.

Malaika Mihambo: Genau, das ist die Technik, mit der ich springe. Die nennt sich wirklich Laufsprung. Ich glaube, dafür musst du noch größer werden, schneller anlaufen und weiter springen. Die Männer schaffen sogar noch einen Schritt mehr – weil sie schneller und größer sind als wir Frauen.

Helen: Wie fühlt es sich an, so lange wie du in der Luft bleiben zu können?

Malaika Mihambo: Das fühlt sich gut an – ein bisschen wie fliegen. Aber letztlich geht der Flug auch schnell vorbei. Manchmal bin ich wie in einem Tunnel und wache erst in der Grube wieder auf. Dann weiß ich gar nicht: War der Sprung jetzt gut oder oder nicht? Weil ich so in diesem Moment war und überhaupt nichts mehr gedacht und wahrgenommen habe. Und dann gibt es Sprünge, da bekomme ich wirklich jeden Schritt mit und weiß genau: Bin ich aufrecht oder habe ich eine leichte Vorlage? Was muss ich jetzt in der Luft machen, damit der Sprung noch besser wird?

Helen: Willst du auch so oft Olympia-Gold gewinnen wie dein zukünftiger Trainer Carl Lewis?

Malaika Mihambo: Das wäre schön, aber ich glaube, das wird schwierig. Ich versuche jetzt erst mal, das ein einziges Mal zu schaffen. Darüber wäre ich schon sehr glücklich. Aber das ist natürlich eine Gelegenheit, die es nur alle vier Jahre gibt. Es kann auch sein, dass ich genau an dem Tag nicht meinen besten Tag habe. Aber dann freue ich mich auf die nächsten Olympischen Spiele und hoffe, dass ich dann noch einmal besser sein kann. Ich glaube, das ist die beste Einstellung, immer zu versuchen, sein Bestes zu geben, aber trotzdem zu wissen: wenn es nicht klappt, dann habe ich noch einmal die Chance. Aber auch wenn ich niemals Olympiasiegerin werden sollte, weiß ich, dass ich eine tolle Sportlerin bin. Mein Selbstwertgefühl hängt nicht von Sieg oder Niederlage ab.

Helen: Findest du es gut, dass die Olympischen Spiele trotz Corona stattfinden?

Malaika Mihambo: Ja, aber nur weil alles daran gesetzt wird, dass alles sicher umgesetzt werden kann. Ich glaube, dass die Olympischen Spiele eine ganz besondere Botschaft für alle Menschen haben: Es geht darum, dass wir alle zusam-menkommen, dass wir uns verstehen, fair und gerecht miteinander umgehen und dass wir voneinander lernen. Das ist die große Stärke von Olympia, und ich glaube, dass es gerade in diesen schwierigen Zeiten ein wichtiges Zeichen ist, dass wir alle zusammenhalten und unser Bestes geben.

Victor: Wie findest du es, dass keine Zuschauer im Stadion sein werden?

Malaika Mihambo: Das ist natürlich schade, aber in dieser Zeit das einzig Richtige. Wir müssen alle aufpassen, dass wir gesund bleiben und das Virus nicht noch weiterverbreiten.

Victor: Was machst du als Ausgleich zum harten Training?

Malaika Mihambo: Ich meditiere und mache Yoga – damit tue ich mir selbst etwas Gutes. Ansonsten spiele ich gerne Klavier, das mache ich seit fünf Jahren. Und letztes Jahr habe ich noch angefangen, ab und zu Gitarre zu spielen. Ich singe auch gerne, Musikmachen macht mir einfach Spaß. Aber dazu komme ich momentan kaum, weil so viel los ist. Außerdem lese ich sehr gerne, und spazieren finde ich auch schön – einfach in der Natur zu sein und aus der Stadt rauszukommen.

Victor: Was hast du nach der Profisport-Karriere beruflich vor?

Malaika Mihambo: Ich studiere Umweltwissenschaften – ich interessiere mich einfach total für das Thema Umwelt. Ich habe mich noch gar nicht so festgelegt, was ich mal damit machen will. Aber es ist mir eine Herzensangelegenheit, nicht nur etwas für mich, sondern auch für andere Menschen und für unseren Planeten zu tun. Wir haben nur eine Erde, es ist wichtig, dass es der Umwelt gut geht, damit wir alle schön zusammenleben können.


Malaika Mihambo feierte 2019 ihren größten Erfolg: Bei der WM in Doha sprang die gebürtige Heidelbergerin 7,30 Meter weit – mit ihrer persönlichen Bestleistung wurde sie Weltmeisterin. Von Sportjournalistinnen und -journalisten wurde sie dann zur Sportlerin der Jahre 2019 und 2020 gewählt. Für den Herbst plant Malaika Mihambo, in die USA zu gehen. Ihr zukünftiger Trainer ist Carl Lewis. Der heute 59-Jährige gehört mit neun Olympia-Goldmedaillen in Sprint und Weitsprung zu den erfolgreichsten Leichtathleten aller Zeiten.