Informationskrieg Russland verbreitet Lügen und Angst

Susanne Suchy

In Russland protestieren weniger Menschen gegen den Krieg als bei uns. Warum ist das so?

Das wird in Russland erzählt

Im Krieg ist es besonders schwierig, richtige und verfälschte Informationen zu unterscheiden. Im Fall von Russland beobachten Experten aber seit Jahren, dass die Regierung falsche Informationen verbreitet. Kurz gesagt: Sie lügt. Sie behauptet zum Beispiel, die Ukraine sei kein eigenständiger Staat, sondern gehöre eigentlich zu Russland. Russen, die in der Ukraine leben, würden schlecht behandelt und verfolgt. Um diese Menschen zu befreien und das Land vor der Bedrohung aus dem Westen zu schützen, habe man eine militärische Spezialoperation gestartet. Das Wort Krieg benutzt der russische Präsident Wladimir Putin nicht. Niemand darf es in der Öffentlichkeit verwenden. Wer es doch tut, kann verhaftet werden. Im russischen Fernsehen, in Zeitungen, im Radio und im Internet wird außerdem berichtet, dass die russische Armee in der Ukraine nur Militärstützpunkte angreifen würde, etwa Flughäfen.

Informationskrieg

„Die russische Regierung ist sehr erfolgreich darin, ihre Propaganda – die Geschichten, an die die Menschen glauben sollen – zu verbreiten“, sagt die Russland-Expertin Daria Khrushcheva. „Und ein Teil glaubt ihr auch.“ Das funktioniert, weil es in Russland kaum noch Meinungsfreiheit gibt. Fast alle Medien werden von der Regierung kontrolliert. Fernsehsender, Zeitungen und andere Medien, die etwas gegen die Regierung sagen, werden verboten. Webseiten mit kritischen Inhalten werden abgeschaltet, Journalisten verhaftet. Ihnen drohen nun sogar bis zu 15 Jahre Gefängnis. Es gibt auch fast keine Politiker mehr, die sich gegen Wladimir Putin wehren. Sie sind im Gefängnis oder mussten Russland verlassen, um in Sicherheit zu sein. Die Menschen in Russland hören, sehen und lesen also hauptsächlich das, was Putin möchte. Über die sozialen Netzwerke verbreiten sich seine Geschichten schnell. Experten sprechen darum auch von einem Informationskrieg.

Angst zu protestieren

Daria Khrushcheva erklärt, dass viele Russen trotzdem wissen, was in der Ukraine passiert – und dagegen sind. Bis vor ein paar Tagen haben sie sich in sozialen Netzwerken, auf ausländischen Webseiten und in einigen wenigen russischen Medien informiert, die versuchten, unabhängig zu berichten. „Was für sie sehr gefährlich ist“, betont Daria. Doch auch das ist jetzt vorbei. Die Regierung hat beispielsweise den Zugang zu Facebook und Twitter für die Menschen in Russland gesperrt. Viele Russen sind gegen den Krieg. Aber sie haben Angst, auf der Straße zu protestieren. Denn momentan reicht es in Russland schon, ein Schild hochzuhalten, auf dem „Stoppt den Krieg“ steht, um ins Gefängnis zu kommen. Erst am Wochenende sollen 2000 Demonstranten verhaftet worden sein.


Daria Khrushcheva arbeitet an der Ruhr-Universität Bochum am Seminar für Slavistik/Lotman-Institut für russische Kultur. Sie ist entsetzt, was in der Ukraine und ihrem Heimatland Russland passiert. Eines ist ihr besonders wichtig: Das, was gerade geschieht, ist der Wille der russischen Regierung, nicht der Bürger.