Ein Fall für Paul Kinderwahl? Das Grundgesetz ist das Problem!

Clara fragt: Warum gibt es kein Kinderwahlrecht?

Liebe Clara,
viele Menschen finden es nicht fair, dass Kinder an Wahlen wie der Bundestagswahl nicht teilnehmen dürfen. Für ein Wahlrecht für Kinder setzt sich zum Beispiel der Deutsche Familienverband ein, auch manche Politikerinnen und Politiker aus dem Bundestag sind dafür. Schließlich gibt es dafür gute Argumente.

Gründe für ein Kinderwahlrecht
In Deutschland leben mehr als 13 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Das bedeutet: Rund jeder sechste Deutsche darf an Wahlen nicht teilnehmen. Doch die Entscheidungen, die etwa im Bundestag gefällt werden, betreffen die Jüngsten am längsten. Manchmal wird den Politikerinnen und Politikern vorgeworfen, dass sie sich viel mehr um die Interessen von alten Menschen kümmern, um deren Stimmen bei der nächsten Wahl zu bekommen. Ein Kinderwahlrecht würde sie dazu zwingen, sich stärker mit den Interessen von Kindern und Familien zu beschäftigen. Zudem würden Kinder und Jugendliche schon früher lernen, wie Politik funktioniert.

Wie könnte ein Kinderwahlrecht aussehen?
In manchen Bundesländern, etwa in Baden-Württemberg, können schon 16-Jährige an bestimmten Wahlen teilnehmen, etwa wenn es um den Bürgermeister oder den Gemeinderat geht. Das Vorhaben, das Wahlalter auf 16 zu senken, steht auch in manchen Wahlprogrammen zur Bundestagswahl, etwa bei den Grünen, der FDP, der Linken und der SPD. Diese Änderung ist also gar nicht so unwahrscheinlich. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk setzt sich dafür ein. Es will sogar, dass das Wahlalter später auf 14 Jahre gesenkt wird.
Es gibt aber auch Ideen, wie Kinder schon ab 0 Jahren mitbestimmen könnten. Zum Beispiel, indem man Eltern für jedes ihrer Kinder unter 18 Jahre eine Stimme mehr gibt – das wäre allerdings eher ein Elternwahlrecht als ein Kinderwahlrecht. Ein anderer Vorschlag wäre, dass die Eltern nur in den ersten Jahren für ihre Kinder wählen. Sobald diese alt genug sind, müssten die Eltern die Wahl absprechen.

Gründe gegen ein Kinderwahlrecht
Und warum gibt es dann kein Kinderwahlrecht? Gerne wird behauptet, dass Kinder noch zu wenig von Politik verstehen würden, um eine gute Entscheidung zu treffen. Doch ob die Erwachsenen wirklich Ahnung von Politik haben, wird ja auch nicht kontrolliert – und sie dürfen trotzdem wählen. Das größte Argument gegen ein Kinderwahlrecht ist aber das Grundgesetz. Das müsste für ein Kinderwahlrecht geändert werden – und einer solchen Änderung müssen mindestens zwei Drittel der Abgeordneten im Bundestag zustimmen. Es müssten also sehr viele von ihnen von der Idee überzeugt werden.
Außerdem stehen im Grundgesetz mehrere Grundsätze, die bei Wahlen gelten müssen. Zum Beispiel, dass alle Stimmen gleich viel zählen müssen. Bei einem Elternwahlrecht, wie oben beschrieben, würden die Stimmen von Erwachsenen mit Kindern mehr zählen als die Stimmen von Kinderlosen. Ein weiterer Grundsatz ist, dass die Wahl geheim sein muss – niemand muss verraten, wen er gewählt hat. Aber wenn Eltern Stimmzettel für ihre Kinder ausfüllen, dann wäre diese Wahl nicht mehr geheim.

Liebe Clara, du siehst also: Ein Kinderwahlrecht einzuführen wäre ziemlich kompliziert. Aber in den vergangenen Jahren wurde immer mehr darüber diskutiert – vielleicht ändert sich daran ja bald etwas.