Cosma Müller „Ich gebe alles für 80 Sekunden!“

Tanja Volz

Kinderreporter Raphael (12) kannte Sportaerobic eher nicht. Nachdem er die deutsche Meisterin Cosma Müller (19) getroffen hat, ist er sehr beeindruckt. Er spricht mit ihr über hartes Training, aber auch viel Spaß.

Raphael: Was ist denn Sportaerobic?
Cosma: Das ist ein Mix aus Tanzen und Turnen. Es hat ein bisschen was von rhythmischer Sportgymnastik und Turnen. Man braucht dafür alles: Kondition, Ausdauer, Kraft und Flexibilität.

Raphael: Dann musst du sehr oft trainieren?
Cosma: Ja, täglich, mindestens zwei Stunden am Tag. Ich muss dann auch mal am Wochenende auf eine Geburtstagsfeier verzichten, und die Ferien sind kürzer. Das ist schon harte Arbeit, aber ich habe auch sehr viel Spaß bei meinem Sport. Und an die Spitze schafft man es eben nicht, wenn man daheim auf der Couch liegt (lacht).

Raphael: Wie läuft das Training?
Cosma: Es gibt unterschiedliche Einheiten. An den Tanztagen wird die Choreografie geübt. An anderen Tagen steht die Kraft im Vordergrund. Dann geht es um Muskeltraining.

Raphael: Musst du auf deine Ernährung achten?
Cosma: Ich achte darauf, dass ich mich gesund ernähre. Eine spezielle Diät habe ich nicht.

Raphael: Du bist deutsche Meisterin. War diese Meisterschaft sehr aufregend?
Cosma: Ja, sehr! Vergangenes Jahr war mein erstes Jahr bei den Erwachsenen. Das war schon sehr viel aufregender als die Jahre zuvor bei der Jugend.

Raphael: Wie gehst du damit um, wenn du mal einen Fehler machst?
Cosma: Zunächst berate ich mich mit meiner Trainerin, was falsch lief. Und dann übe ich so lange, bis es klappt – wenn nicht am gleichen Tag, dann eben am nächsten. Es ist schon so: Übung macht den Meister.

Raphael: Hast du dich auch schon mal verletzt?
Cosma: Ja, Verletzungen bleiben nicht aus. Es gibt zwischendurch immer wieder schwierige, schmerzhafte Phasen. Aktuell leide ich an einer Schulterverletzung.

Raphael: Was machst du, wenn du kein Training hast?
Cosma: Ich gehe gerne joggen. Oder mache mit meiner Schwester und meinem Vater daheim Krafttraining, etwa an der Rudermaschine.

Raphael: Was gefällt dir am besten an deinem Sport?
Cosma: Die Tanztage, also die Choreografie, machen schon am meisten Spaß. Das kann auch ganz lustig sein. Es gibt bei uns jetzt intern den „Müller“. Das ist eine Art Vorwärtssalto mit angedeuteter Drehung. Den habe ich mal eingebaut, und seitdem heißt der bei uns so. Auf die Wettkämpfe, vor allem auf die internationalen, freue ich mich auch immer sehr. Man fährt in andere Länder, trifft internationale Sportler, das ist schon super. Als wir kürzlich eine Woche in der Türkei bei den Europameisterschaften waren, habe ich das sehr genossen. Man sammelt da nicht nur Erfahrungen, sondern auch schöne Erinnerungen.

Raphael: Wer macht die Choreografie?
Cosma: Die Choreografie entwerfe ich zusammen mit der Tochter meiner Trainerin. Und die Trainerin schaut am Ende mit drauf. Aber wir sind da ziemlich frei und können der Fantasie freien Lauf lassen. Bei mir ist die Musik immer fetzig, ruhigere Stücke liegen mir nicht so.

Raphael: Gibt es auch Jungs, die diesen Sport machen?
Cosma: In Deutschland sind es eher wenige. Wir haben im Nationalteam zwei Jungs. In anderen Ländern ist der Sport bekannter, in Frankreich, Bulgarien oder Rumänien etwa. Das machen dann schon wesentlich mehr Jungs mit.

Raphael: Warum ist Sportaerobic denn nicht bekannter?
Cosma: Es ist eine Nischensportart. Es ist ja beispielsweise keine olympische Sportart. Es wird also nicht im Fernsehen oder Radio übertragen. Daher kennt man es eben kaum. Zudem ist es eine sehr schnelle Sportart. Ein Auftritt dauert achtzig Sekunden. Und man tritt nur einmal auf. Man hat nicht wie bei anderen Sportarten mehrere Versuche. Damit ist der Wettkampf für Außenstehende beim Zuschauen doch sehr schnell vorbei.

Raphael: Und man kann es ja auch nicht überall in jedem Sportverein machen.
Cosma: Genau, es gibt in Deutschland wirklich wenig Angebote. Kinder gehen einfach eher ins Turnen oder zum Fußball. Aber wir freuen uns über Nachwuchs! Jedes Kind kann mitmachen, wenn es ein bisschen Spaß am Sport hat.

Raphael: Du bist ja als deutsche Meisterin richtig gut! Könntest du von deinem Sport auch leben?
Cosma: Nein, auf gar keinen Fall. Da gibt es vielleicht mal Gutscheine für einen Gewinn oder eine kleine Geldprämie. Für richtige Profi-Verträge ist der Sport zu unbekannt. Daher konzentriere ich mich nun auch auf mein Psychologiestudium, damit ich später einen Abschluss habe


Cosma Müller ist ein einziges Energiebündel. Wenn sie ihre Choreografie übt, fliegt und wirbelt sie in einem unglaublichen Tempo durch die Halle. Anke Beranek, ihre Trainerin beim SSV Ulm 1846, hat sie dabei immer im Blick. Sie kritisiert, lobt und verbessert – und Cosma übt, bis es klappt, auch wenn es mal schmerzt. Es ist purer Zufall, dass Cosma beim Sportaerobic gelandet ist. Ihre Mutter wollte die Sechsjährige beim Turnen anmelden, die Familie hat damals für einige Jahre in Frankreich gelebt. Beim Turnen gab es keinen Platz mehr, daher entschied sich die Mutter für Aerobic. Glück für Cosma! Der schnelle, explosive Sport passte perfekt zu ihr. Sie tanzte sich schnell an die Spitze und wurde mehrfache Jugendmeisterin – zunächst für Frankreich, nach dem Umzug zurück in die Heimat nach Friedrichshafen auch für Deutschland. Daheim stellte sich die Frage nach einem Verein für Cosma. Durch die Vermittlung ihres französischen Trainers kam sie 2017 schließlich zum SSV Ulm. Als Schülerin ist sie daher nach der Schule mit dem Zug von Friedrichshafen nach Ulm zum Training gependelt – das sind anderthalb Stunden hin und wieder zurück. „Da musste ich eben im Zug noch für die Schule lernen und Hausaufgaben machen“, erinnert sie sich. Seit einem halben Jahr wohnt sie in Ulm und studiert hier Psychologie. Das macht die Wege zwar kürzer, doch ihr Leben spielt sich zwischen Turnhalle und Uni ab – und für ihre Freunde findet sie dann irgendwie auch noch Zeit.