Aus aller Welt Lernen in Zeiten von Corona

Iris Lemanczyk

Sicher erinnerst du dich noch an die Zeit, als die Schulen geschlossen waren. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern mussten Schulkinder wegen Corona daheimbleiben.

Insgesamt gingen 1,5 Milliarden Kinder nicht zur Schule, dies hat das Kinderhilfswerk Unicef ermittelt. Anfang September waren es noch 700 Millionen, denn in einigen Ländern sind die Schulen auch nach den Ferien geschlossen geblieben. Schulkinder, deren Eltern besonders arm sind, haben kaum Möglichkeiten, etwas zu lernen. Je länger die Kinder nicht zur Schule gehen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie überhaupt nicht mehr zur Schule zurückkehren, weil sie arbeiten müssen, befürchtet man bei Unicef. Wir schauen uns um, wie es in verschiedenen Ländern der Welt aussieht:

Ruanda

Auch im Nachbarland Ruanda ist für viele Kinder Homeschooling mit Computern nicht möglich. Da aber die meisten Familien ein Radio besitzen, gibt es 20-minütige Radiosendungen in Rechnen und Schreiben. Es werden nur Grundkenntnisse vermittelt. „Ich verstehe alles, was ich im Radiounterricht lerne“, sagt der elfjährige Igihozo Kevin (siehe Foto). „Nur könnte es mehr Unterrichtsstoff sein.“ Seit November sind in Ruanda die Schulen erst einmal wieder geöffnet.

Bangladesh

Besonders arm sind die Kinder im größten Flüchtlingslager der Welt. Das liegt in Bangladesch, in Cox’s Bazar. Dort leben mehr als 460 000 Kinder, sie gehören zur Bevölkerungsgruppe der Rohingyas, die ihre Heimat Myanmar verlassen mussten. Seit vier Jahren wohnt die zehnjährige Shefuka (siehe Foto) mit ihren Eltern, ihrem Bruder und ihren beiden Schwestern in einer windschiefen Bambushütte, dicht an dicht mit ihren Nachbarn. Abstand halten ist unmöglich. Bis März gab es im Lager Lernzentren, das sind Klassenzimmer aus Bambus, die Kinder sitzen auf dem Boden, der mit Matten ausgelegt ist. Doch die Lernzentren sind geschlossen. Shefuka durfte zwar ihre Hefte und Stifte mitnehmen, aber an Lernen ist nicht zu denken. „Ich lese, male Bilder und spiele mit meinen Geschwistern. Aber ich langweile mich oft. Ich würde so gerne wieder ins Lernzentrum.“

Syrien

In Syrien sind die Schulen auch noch geschlossen. Allerdings war der Schulbetrieb schon vor der Pandemie immer wieder unterbrochen, denn in Syrien herrscht immer noch Krieg. Vor allem in den umkämpften Provinzen, wie etwa in Idlib im Nordwesten des Landes, gibt es schon lange keinen regelmäßigen Unterricht mehr. Dort kommt es häufig zu Angriffen. Deshalb ist es nicht nur wegen Corona, sondern auch wegen Bomben zu gefährlich, zur Schule zu gehen. Lehrer versuchen in Idlib, den Kindern über Handyvideos (siehe Foto) etwas beizubringen.

Mexiko

In Mexiko haben Millionen Kinder daheim keinen Internetanschluss, einen Fernseher besitzen dagegen fast alle Familien. Deshalb gibt es nun Unterricht im Fernsehen. Während seine Mutter arbeitet, sitzt Kristopher in der Küche und schaut das Schulprogramm im Fernsehen. Mathe versteht er nur so halb. Seine Fragen beantwortet niemand. Bevor es zum nächsten Fach geht, kommt zwischendurch Musik. Auch beim Thema „Entstehung des Kosmos“ versteht er nicht alles. Als das Schulprogramm für heute beendet ist, hat Kristopher kein Wort mitgeschrieben. „Ich glaube nicht, dass ich so lernen kann“, meint er. Dagegen haben die Kinder, die auf eine Privatschule gehen, Internet. Ihre Eltern haben mehr Geld als Kristophers Mutter. Sie sehen die Lehrer und auch ihre Klassenkameraden, wenn auch auf dem Bildschirm. Sie können Fragen stellen und bekommen erklärt, was sie nicht verstehen. Davon kann Kristopher im Moment nur träumen.

Kenia

„Liebes Coronavirus, willkommen in Kenia“, schrieb der junge Autor Samuel Mang’era im Frühjahr, „Es gibt ein paar Sachen, die du hier wissen solltest. Wir sterben hier nicht an Grippe, sei nicht überrascht, wenn du scheiterst. Wir können dir nicht zuviel Aufmerksamkeit widmen, denn wir haben schon eine große Heuschreckenplage – wir sterben eher an Cholera als durch dich. Für uns ist jeder Tag ein Wettlauf vor dem Tod.“ Doch das Virus wütet auch in Kenia. Darum wurden die Schulen im März geschlossen. „Viele Schulen haben kein fließendes Wasser. Wie will man da Hände waschen?“, fragt sich Janeanne Kiviu von Unicef Kenia. An Homeschooling ist nicht zu denken, denn auf dem Land oder in den großen Slums haben die meisten Familien nicht einmal Strom. Durch die Schulschließungen entsteht ein ganz anderes Problem: Das meist kostenlose Mittagessen in der Schule war für viele die einzige richtige Mahlzeit am Tag. Ohne Schule, kein Essen. Viele Kinder müssen jetzt Arbeit finden. Besonders schlimm ist die Lage für Mädchen. Weil die Corona- Pandemie viele Familien in Armut stürzt, werden Mädchen mit viel älteren Männern verheiratet. Seit Mitte Oktober sind die Schulen wieder geöffnet. Bei der Hilfsorganisation „Save the Children“ schätzt man aber, dass weltweit 9,7 Millionen Mädchen unter 15 Jahren nicht mehr in die Schulen zurückkehren, weil sie verheiratet werden und ihr Ehemann ihnen den Schulbesuch verbietet.

Indien

Seit Anfang Juni läuft der Unterricht bei Mandeep in Indien online. Dafür zieht sie morgens sogar ihre Schuluniform an: helle Bluse mit Krawatte. Eine Lehrerin unterrichtet, und ein anderer Lehrer sitzt dabei und betreut den Chat und kümmert sich um technische Probleme. Mandeep geht auf eine private Schule. Ihr Vater ist Ingenieur. Sie haben zu Hause Internet, und natürlich hat Mandeep ein Smartphone. In öffentlichen Schulen sieht das anders aus. Selbst wenn die Eltern ein Handy haben, reicht oft das Datenvolumen für den Unterricht nicht aus. Und so wird auch in Indien der Unterschied zwischen Kindern aus reichen und armen Familien durch Corona noch größer.

Schweden

In Schweden trägt fast niemand Maske. Schweden geht einen Sonderweg – die Schulen waren nie geschlossen, nur die Schülerinnen und Schüler ab der 9. Klasse hatten Fernunterricht. Was aber in Schweden kein Problem ist, denn jedes Kind hat einen eigenen Schullaptop und zwar seit der 1. Klasse. Jetzt, in der Erkältungszeit, bleiben alle beim allerkleinsten Krankheitszeichen zu Hause und kommen erst wieder, nachdem sie zwei Tage gesund sind.