Anne-Sophie Monrad, Model „Ich möchte, dass sich in der Industrie etwas verändert“

Katrin Blum

Anne-Sophie Monrad war 17, als sie mit dem Modeln anfing. Es folgten zehn Jahre, in denen sie auf den ganz großen Laufstegen zu Hause war. Jetzt hat sie ein Buch über diese Zeit geschrieben. Sie will das Leben in der Modewelt ehrlich und ungeschminkt beschreiben. Unsere Kinderreporterinnen Mathilde und Karline haben sie ausgefragt.

Karline: In deinem Buch schreibst du, dass du als Jugendliche immer „Germany‘s next Topmodel“ geguckt hast und es toll fandest. Warum?

Anne-Sophie Monrad: Model wurde dort als Traumberuf verkauft, um den gekämpft werden muss. Ich dachte, das möchte ich auch: geschminkt werden, tolle Fotos machen, in der Welt herumfliegen, Leute treffen, eine gute Zeit haben.

Karline: Dir wurde gleich beim ersten Kontakt zu deiner Agentur gesagt, du müsstest abnehmen. Es gibt aber auch Agenturen für normale Menschen, die sich so, wie sie sind, wohlfühlen. Warum hast du es nicht bei so einer Agentur versucht?

Anne-Sophie Monrad: Meine Agentur war sehr groß. Dort waren berühmte und erfolgreiche Models unter Vertrag. Mir wurde versprochen, dass ich ganz groß rauskommen kann, wenn ich diesen Weg gehe. Das hat mich fasziniert, und ich dachte, wenn ich mache, was sie sagen, und abnehme, kann ich es auf Laufstege wie den von der Luxusmarke Chanel schaffen. Das wollte ich unbedingt und dachte: Dann muss ich eben abnehmen.

Mathilda: Wenn berühmte Models sagen, in dem Business ist alles toll, glaubst du, die haben wirklich keine Probleme?

Anne-Sophie Monrad: Das ist meistens gespielt. Das sagen sie, weil es alle sagen. Und alle haben Angst, keine Jobs mehr zu bekommen, wenn sie bei diesem Spiel nicht mitspielen.

Mathilda: Glaubst du, wenn du später angefangen hättest zu modeln, wäre alles anders gewesen? Wärst du zum Beispiel mutiger gegenüber den Menschen gewesen, die deinen Körper nicht passend fanden?

Anne-Sophie Monrad: Auf jeden Fall. Wäre ich ein paar Jahre älter gewesen, wäre ich reifer gewesen und hätte früher und öfter Nein gesagt. Damals, mit 17, war ich ein Kind und total unerfahren. Du wirst in etwas hineingeworfen, von dem du keine Ahnung hast.

Karline: Warum hast du nicht ein paar Jahre gewartet?

Anne-Sophie Monrad: Damals wurde mir gesagt: „Das ist deine Chance, verpass die nicht. Genau dein Typ ist jetzt gefragt. Leg los!“ Da dachte ich, ich muss diese Chance nutzen. Und weil es von Anfang an so gut lief, habe ich nach einem Jahr die Schule aufgegeben.

Mathilda: Hattest Du einen Plan B, falls es nicht klappen würde?

Anne-Sophie Monrad: Nein. Und im Nachhinein hätte ich mein Abi auch besser gemacht. Heute weiß ich: Die Chancen kommen immer wieder. Das habe ich in meiner Karriere oft erlebt.

Karline: Du schreibst in deinem Buch von Magerwahn, Konkurrenzdruck, Einsamkeit und schlimmem Verhalten den Models gegenüber. Warum hast du immer weitergemacht?

Anne-Sophie Monrad: Ich hatte oft Momente, in denen ich nicht mehr wollte und dachte, ich kann nicht mehr, ich halt das nicht mehr aus. Dann kamen aber immer Lockmittel, mit denen ich wieder zurückgeholt wurde.

Mathilda: Zum Beispiel?

Anne-Sophie Monrad: Gute Jobs, große Namen, für die ich arbeiten konnte, Geld.

Karline: Bereust du irgendwas?

Anne-Sophie Monrad: Nein, ich bereue es nicht.

Karline: Obwohl du so viel Negatives erlebt hast?

Anne-Sophie Monrad: Ich bereue manche Situationen, in denen ich nicht Nein gesagt habe. Oder dass ich bestimmte Jobs gemacht oder andere nicht angenommen habe. Aber im Großen und Ganzen bereue ich es nicht. Ich möchte jetzt nur andere dazu ermutigen, Nein zu sagen, wenn sie Nein denken.

Karline: Wenn Mädchen auf dich zukommen und fragen, wie es ist, Model zu sein, erzählst du ihnen dann die Wahrheit?

Anne-Sophie Monrad: Natürlich erzähle ich ihnen die Wahrheit. Ich möchte sie aufklären. Es ist ein Geschäft, in dem es um Geld geht, und die Menschen dort sind in der Regel nicht deine Freunde. Ich würde nicht generell davon abraten, aber junge Frauen sollen auf ihre Gesundheit achten, sich selbst treu bleiben und sehr vorsichtig da rangehen.

Karline: In deinem Buch geht es um Licht und Schatten im Modelbusiness. Was waren die schönen Momente?

Anne-Sophie Monrad: Wenn du in eine Rolle schlüpfen darfst, vor der Kamera stehst, mit tollen Fotografen arbeiten kannst, die dir die Freiheit lassen, wie du dich vor der Kamera bewegen möchtest. Wenn du ein cooles Team hast, tolle Reisen machen kannst, wenn man menschlich gut zusammenarbeitet. Dann kann der Job ganz fantastisch sein.

Mathilda: Wer war der größte Designer, für den du je gearbeitet hast?

Anne-Sophie Monrad: Karl Lagerfeld für Chanel. Auf dem Laufsteg für Chanel zu laufen war immer ein Traum. Das war sehr emotional für mich. Es gibt dir total viel Bestätigung, wenn du das geschafft hast.

Karline: Wie war Lagerfeld so?

Anne-Sophie Monrad: Er war eher distanziert, oder sagen wir neutral. Das sind aber die meisten Designer. Jean-Paul Gaultier ist da eine Ausnahme. Der war immer total lieb und interessiert. Sehr menschlich.

Karline: Modelst du heute noch?

Anne-Sophie Monrad: Ja, ich model noch, bin aber bei einer anderen Agentur.

Karline: Hast du nicht irgendwann genug davon gehabt?

Anne-Sophie Monrad: Nein, das hat ja auch Spaß gemacht. Heute mache ich es eben unter meinen Bedingungen. Wenn ich jetzt aufgehört hätte, dann hätte es sich angefühlt, als würde ich aufgeben. Und ich möchte ja auch, dass sich in der Industrie etwas verändert. Ich möchte zeigen, dass man mit einer normalen Figur Model sein kann.


Anne-Sophie Monrad macht seit 2018 eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin. Über ihr Leben als Topmodel hat sie mit ihrer Co-Autorin Katrin Blum ein Buch geschrieben. Darin schildert die 29-Jährige den ständigen Hunger, die Einsamkeit und den Konkurrenzdruck, den der vermeintliche Traumberuf mit sich bringt. „Fashion Victim - Licht und Schatten des Modelbusiness: Ein Topmodel berichtet.“ (dtv, 16,95 Euro, ab 12 Jahren)